Standardbassakkordeon
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  Akkordeon
mal anders
Der Sackpfeyffer zu Linden
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Das Standardbassakkordeon, oft auch Schifferklavier, Riemenorgel, Quetschkomode oder einfach "Akkordeon" genannt, ist ein gleichtöniges, chromatisches Harmonikainstrument. Die Tonerzeuger sind durchschlagende Zungen. Oben ist ein Pianoakkordeon (Klaviaturumfang g0-e3; 3 Register: 16′+8′+8°) mit Standardbass (60 Bässe; ohne Register) abgebildet. Das Standardbassakkordeon leidet nach wie vor unter dem Klischee, ein Instrument der volkstümlichen Musik zu sein (über den Geschmack mancher Leute sollte man hier den Mantel der Nächstenliebe decken!). Und dabei lässt sich auch auf diesem Instrument eine sehr abwechslungsreiche Palette an Musik spielen. Auf diese Möglichkeiten wird nachfolgend näher eingegangen. Die weit verbreitete Art der Bassbegleitung ist dafür aber in den allermeisten Fällen nicht geeignet. Viel mehr werden häufig nur die Grund- und Terzbässe eingesetzt, oder es werden aus ein oder zwei Akkordbässen (und meist einem Grund- oder Terzbass) neue Akkorde gebildet.
Einige Beispiele (alle ohne die verminderten Akkordbässe spielbar):

Bass1Bass2Bass3 AkkordBemerkung
Cc CStandardgriff, Grundbass nicht zwingend erforderlich
Ec CTerz im Bass
Gc CQuinte im Bass
Cc7 C7Standardgriff, Grundbass nicht zwingend erforderlich
Ccc7C7notwendig, wenn Quinte gewünscht und in c7 fehlt
Gc7 C7Quinte im Bass; hilfreich, wenn Quinte gewünscht und in c7 fehlt
Bc C7Septime im Bass
CcgmC7/9Grundbass nicht zwingend erforderlich
Dc7 C7/9None im Bass
Dcc7C7/9notwendig, wenn Quinte gewünscht und in c7 fehlt
CcbC7/9/11Grundbass nicht zwingend erforderlich
Cem Cmaj7Grundbass mit kleinem Finger greifen
Hc Cmaj7Septime im Bass
CcgCmaj7/9Grundbass nicht zwingend erforderlich
Dc C9None im Bass (ohne Septime!)
CcamC6Grundbass nicht zwingend erforderlich
Ac C6Sexte im Bass
CG C5Dur oder Moll unbestimmt, da Terz fehlt! Sogenannter "Powerchord"
Cgm C5/7/9Dur oder Moll unbestimmt, da Terz fehlt!
Cg C5/maj7/9Dur oder Moll unbestimmt, da Terz fehlt!
Ccm CmStandardgriff, Grundbass nicht zwingend erforderlich
E♭cm CmTerz im Bass, Terzbass mit kleinem Finger greifen
Gcm CmQuinte im Bass
Ceb Cm7C+eb ist sehr schlecht zu greifen
Bcm Cm7Septime im Bass
CcmgmCm7/9Grundbass nicht zwingend erforderlich
CcmbCm7/9/11Grundbass nicht zwingend erforderlich
Hcm Cmmaj7Septime im Bass
CcmgCmmaj7/9Grundbass nicht zwingend erforderlich
Dcm Cm9None im Bass (ohne Septime!)
Acm Cm6Sexte im Bass

Die obige Tabelle ließe sich um noch extremere Akkordbildungen erweitern. Außerdem können einige der Akkorde harmonisch auch anders gedeutet werden, z.B. C6 = Am7 oder Cm7 = E♭6. In einigen Situationen ist die Terzverdopplung (Akkord C gespielt mit E+c oder Akkord Cm gegriffen mit Eb+cm) unerwünscht. Bei Septakkorden klingt die Verdopplung der Terz oder der Septime oft unschön. Dies gilt besonders, wenn die Quinte im Akkord fehlt. Einige Akkorde sind etwas schwierig zu greifen und daher für schnelles Spiel nur bedingt geeignet. Richtig zur Geltung kommen solche Akkorde aber ohnehin nur bei ruhigerem Spiel. Wer die Notation mit H = B & B = B♭ bevorzugt, findet diese in der englischen Version dieser Tabelle.

Grund- und Terzbässe bilden bei Instrumenten ab 40 bzw. 48 Bässen eine chromatische Skala mit dem Tonumfang einer großen Septime, normalerweise von C–H. Für ein komfortables Spiel auf den Grund- und Terzbässen ist jedoch ein Instrument mit 60 bzw. 72 Bässen erforderlich.

Zur besseren Orientierung steht eine Basstabelle für Standardbassakkordeons zum Download bereit: Basstabelle.png

Für den Standardbass finden sich in der Literatur auch die Bezeichnungen Stradella-Bass oder MII (Manual II Bass). Der Tonumfang der Grund- und Terzbässe reicht ohne Bassregister von C–H, wovon nachfolgend ausgegangen wird. Je nach Hersteller und Modell ist der Tonumfang der Grund- und Terzbässe verschoben und reicht dann beispielsweise von A1-G♯. Sind Bassregister vorhanden, kann der Tonumfang durch Registerwechsel beim Spiel sogar um eine Oktave erweitert werden. Der Tonumfang reicht dann normalerweise von C–h0. Das Kippen einzelner Töne in der Bassstimme um eine Oktave nach oben oder nach unten lässt sich bedingt durch den begrenzten Tonumfang (ohne Bassregister C-H, bei anderem Tonumfang muss ggf. transponiert werden) nicht immer vermeiden. Vor allem, wenn die Bassstimme die Melodie führt, ist das extrem störend! Das Kippen einzelner Töne sollte daher ggf. durch Transposition auf ein Minimum reduziert werden. Da das Standardbassakkordeon gleichschwebend temperiert gestimmt ist, ist das Transponieren unproblematisch.

Der Tonumfang der Akkordbässe (Durakkorde, Mollakkorde, Septimenakkorde, verminderte Akkorde) reicht bei Instrumenten mit einchörig besetzten Akkordbässen von c1-h1, wovon nachfolgend ausgegangen wird. Auch hier sind jedoch andere Tonumfänge möglich, wobei der Tonumfang immer eine große Septime beträgt. Bei Instrumenten mit zweichörig besetzten Akkordbässen ist der zweite Chor meist eine Oktave höher als der erste Chor gestimmt, also ein Chor mit dem Tonumfang c1–h1 und ein Chor mit dem Tonumfang c2–h2. Bei einer selteneren Ausführung sind die beiden Chöre gegeneinander verschoben, so dass einige Einzeltöne der Akkorde im Einklang und einige im Oktavabstand erklingen. Eine Ausführung ist ein Chor mit dem Tonumfang c1–h1 und ein Chor mit dem Tonumfang f♯0–f1.

Hier nun eine Bearbeitung eines Orgelstücks von Karlmann Kolb (1703-1765) zum Download als MIDI-Datei und Bild (PNG): Fughette.mid Fughette.png
Registrierungsempfehlung:
Diskant: 8′ oder 8′+4′; Bass: klingend große Oktave, so leise wie möglich

Anmerkung: Ausgehend von einem Tonumfang von C–H auf den Grund- und Terzbässen wurde die Transposition nach D-Dur (Originaltonart E♭-Dur) erforderlich, um das Fugenthema am Anfang im Bass intervallrichtig wiedergeben zu können. In der Originaltonart würde die fünfte Note um eine Oktave nach unten kippen, was das Fugenthema (Dux) zerstören würde. In dieser Partitur sind unter der Bassstimme auch die zu benutzenden Grund- und Terzbässe in akkordeonüblicher Schreibweise gesetzt, um deren Gebrauch zu verdeutlichen.

Für ein abwechselungsreiches Spiel sollte die Diskantseite mindestens dreichörig mit 16′+8′+8° =16′+8′+8°besetzt sein. Dies ermöglicht bereits fünf sinnvolle Registrierungen:

8′= 8′        8′+8°= 8′+8°        16′= 16′        16′+8′= 16′+8′        16′+8′+8°= 16′+8′+8°

Unabhängig von der Chorzahl sind die Diskantregister 16′, 8′ und 4′ einzeln registrierbar. 8′+8° ist die Schwebung. Der 8° ist gegenüber dem 8′ leicht verstimmt, wodurch ein leichtes Tremolo entsteht. Der 8° kann nur zusammen mit dem 8′ registriert werden. 8′+8°+8o ist die Doppelschwebung. Der 8o ist gegenüber dem 8° und dem 8′ leicht verstimmt, wodurch ein starkes Tremolo entsteht. Der 8o kann nur zusammen mit dem 8° und dem 8′ registriert werden.

Bei vierchörigen Instrumenten ist die Besetzung mit 16′+8′+8°+4′ =16′+8′+8°+4′am flexibelsten. Die Besetzung mit 16′+8′+8°+8o = 16′+8′+8°+8oist nur für bestimmte Musikstile zu gebrauchen. Sie wird heutzutage kaum noch gebaut.
Ein fünfter Chor ist nur als 2⅔′ sinnvoll, wenn gleich die Version mit 8o als fünftem Chor häufiger gebaut wird. Solche Instrumente sind allerdings nicht nur selten, schwer und teuer, sie haben auch gleich einen Konverterbass, mit dem zwischen Standardbass und Einzeltonbass umgeschaltet werden kann. Bei 4- und 5-chörigen Instrumenten mit nur zwei 8′-Registern, die für die Wiedergabe "klassischer" Musik konzipiert sind, sind diese beiden Register nicht gegeneinander verstimmt. Der 16′ und ein 8′ sind hier meist in einem Cassotto untergebracht. Diese Vorrichtung umschließt diese beiden Register teilweise, wodurch sie leiser und obertonärmer als die übrigen Register klingen.
Bei Pianoakkordeons sollte der Klaviaturumfang der Diskantseite mindenstens von g0-c3 reichen. Durch Registerwechsel beim Spiel kann der Tonumfang der Diskantseite bei vorhandenem 16′-Register um eine Oktave nach unten, bei vorhandenem 4′-Register auch um eine Oktave nach oben erweitert werden. Bei Knopfakkordeons mit 40 und mehr Bässen ist der Klaviaturumfang der Diskantseite normalerweise ohnehin größer.
Zwei- und dreistimmige Stücke lassen sich meistens unproblematisch auf dem Standardbassakkordeon spielen. Zweistimmiges Spiel mit den Grund- und Terzbässen sollte allerdings vermieden werden, da dies schnell zu einem entsetzlichen Gemurmel führt. Daher ist das nur in wenigen Ausnahmen sinnvoll, z.B. bei mittelalterlichen Stücken, deren beiden tiefsten Stimmen nur aus langen Noten in Quart- und Quintabständen verlaufen, oder um den Anfangs- oder Schlussakkord durch eine Quinte¹ zum Grundton im Bass zu verstärken. Bei vierstimmigen Stücken kann es daher Probleme geben. Auf der Diskantseite müssen nun drei Stimmen gespielt werden. Vor allem auf Pianoakkordeons müssen dabei oft Teile der Tenorstimme um eine Oktave nach oben verlegt werden. Knopfakkordeons sind hier weniger problematisch, da die einzelnen Tasten (Knöpfe) auf der Diskantseite dichter beieinander liegen. Solange die Tenorstimme im Original keine solistische Funktion ausübt, ist das Ergebnis meist akzeptabel. Bei dieser Stimmenverlagerung sind die Umbruchpunkte so zu wählen, dass dort keine großen Intervalle auftreten. Das Intervall einer Quinte sollte dabei nicht überschritten werden.

¹ACHTUNG: Die Quinte lässt sich nur zu den Grundtönen C–E spielen, zu den Grundtönen F–H ist nur die Unterquarte spielbar!

Bedingt durch die üblicherweise gleichschwebend temperierte Stimmung des Standardbassakkordeons klingen alle Tonarten zunächst gleich. Da aber die Akkorde nur aus dem Tonvorrat einer großen Septime gebildet werden, erklingen diese in unterschiedlichen Umkehrungen. Am Beispiel der Dur- und moll-Akkorde (Dreiklänge) ergibt sich bei dem oben angegebenen Tonvorrat folgendes Bild:
[Akkorddarstellung in akkordeonüblicher Schreibweise!]
c, cm, c♯, c♯m, d♭, d♭m, d, dm, d♯, d♯m, e♭, e♭m, e, em erklingen in der Grundform (Aufbau: Grundton, Terz, Quinte)
f, fm, f♯, f♯m, g♭, g♭m, g, gm, g♯m, a♭m erklingen als Quartsextakkord (Aufbau: Quinte, Grundton, Terz)
g♯, a♭, a, am, a♯, a♯m, b, bm, h, hm erklingen als Sextakkord (Aufbau: Terz, Quinte, Grundton)
Bei den Septimenakkorden (Vierklänge) wird es noch komplexer, da es 3 Umkehrungen (Quintsextakkord, Terzquartakkord, Sekundakkord) der Grundform gibt. Außerdem sind diese Akkorde bei einigen Instrumenten nur als Dreiklänge realisiert, wobei dann die Quinte fehlt. In diesem Fall ist die Umkehrung "Terzquartakkord" nicht darstellbar.
Über den Sinn der verminderten Akkorde gibt es geteilte Ansichten. Immerhin (siehe Basstabelle) fehlen sie bei vielen Instrumenten. Bei gleichschwebend temperierter Stimmung gibt es musikalisch ohnehin nur drei verschiedene verminderte Akkorde (Vierklang, Übereinanderschichtung kleiner Terzen), nämlich auf C (Töne: c, e♭, f♭, a), auf C♭ (Töne: c♭, e, g, b) bzw. D♭ (Ton d♭ anstatt c♭) und auf D (Töne: d, f, a♭, h). Alle anderen verminderten Akkorde sind also nur Umkehrungen dieser drei Akkorde.
Insbesondere bei der Begleitung mit den Dur- und moll-Akkorden kann dem Musikstück durch den gezielten Einsatz bestimmt aufgebauter Akkorde (Grundform, Sextakkord, Quartsextakkord) eine Klangfarbe zugeordnet werden, da die verschieden aufgebauten Akkorde unterschiedliche Klangfarben aufweisen. Das Musikstück muss dazu natürlich in die jeweils passende Tonart transponiert werden, was aber aufgrund der üblicherweise gleichschwebend temperierten Stimmung normalerweise unproblematisch ist.

Eine leider weit verbreitete Unsitte besteht darin, die Chöre für die Akkordbässe an die Grund- und Terzbässe anzuhängen. Dadurch erklingen auf jedem Grund- oder Terzbass gleich drei oder vier Oktaven, wodurch der Ton sehr dick und undurchsichtig und meistens auch zu laut gegenüber der Diskantseite wird. Auch bei Instrumenten mit Bassregistern klingen mindestens noch zwei Chöre. Um diesen Missstand zu beseitigen ist ein Eingriff an der Bassmechanik des Instruments erforderlich. Die Metallstangen, die die Chöre der Grund- und Terzbässe an die Chöre der Akkordbässe anhängen, müssen gekappt werden. Bei modernen Instrumenten ist dies häufig reversibel durch Entfernen von Stangensegmenten möglich. Ist diese Verbindung aber starr ausgeführt, hilft nur der Seitenschneider. Diese Methode ist destruktiv und daher meist irreversibel. Man muss sich halt entscheiden, aber es lohnt sich! Die Belohnung ist ein grundtöniger, runder und deutlich zeichnender Bassklang :-)    Auch Volkslieder mit der dabei üblichen Bassbegleitung klingen damit nicht schlechter. Wer allerdings durch die Bassmechanik seines Instruments nicht "durchsteigt", sollte sich mit diesem Anliegen lieber an einen Akkordeonbauer wenden.

Mit einem Instrument mit zusätzlichem Einzeltonbass (Melodiebass, MIII = Manual III Bass) oder Konverterbass kann man sich natürlich diesen ganzen Aufwand ersparen. Leider sind diese Instrumente sehr teuer und daher deutlich weniger verbreitet als das Standardbassakkordeon.



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letzte Aktualisierung: 11.09.2023